Die Arbeitsgemeinschaft FC im Bundesverband unter neuer Leitung

Friedemann Nemitz ist mein Freund, darum erscheint seine Vorstellung auf meiner Homepage

autismus Deutschland e.V.

Arbeitsgemeinschaft FC

 

Nielitz 24a • 17121 Loitz                    

Telefon: 0179/1012371    e-mail: nemitznielitz@gmail.com                              

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Mitglieder des Bundesverbandes,                                                                       Nielitz, Januar 2020

 

auf der letzten Tagung am 15. November 2019 in Kassel habe ich mich bereit erklärt, die Leitung der Arbeitsgemeinschaft FC zu übernehmen.

 

Mein Name ist Friedemann Nemitz, ich wohne mit meiner Familie in Nielitz, einem kleinen Dorf im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Wir sind Mitglied im Landesverband Autismus MV. https://www.autismus-mv.de/

Seit der Gründung der AG am 20. April 1997 war Christiane Nagy aus München Vorsitzende. Ich bin beeindruckt davon, was sie in den über zwei Jahrzehnten geleistet hat und sehr froh, sie weiterhin engagiert in der AG mit dabei zu haben.

Mein 19-jähriger Sohn als Mehrfachbehinderter gehört zu den Menschen aus dem Autismus-Spektrum, die sich nicht lautsprachlich ihrem Potential entsprechend mitteilen können. Es ist ihm praktisch nicht möglich, zielgerichtete Bewegungen ohne körperliche Unterstützung durchzuführen. Weshalb schon bei der Frühförderung nach der Affolter Methode mit ihm gearbeitet wurde. https://wahrnehmung.ch/affolter-modell

Seit der Diagnose Autismus (viel zu spät im Alter von 12 Jahren!) ist die Arbeit mit jener Methode der Schwerpunkt der Autismus-Therapie durch die Ambulanz bis heute.

Foto: privat

 

 

Im Alter von 15 Jahren wurde begonnen, Unterstützte Kommunikation (UK) in diese Arbeit mit einzubauen. Nur sehr langsam, und nicht für jeden erkennbar, zeigte Toni, dass er durchaus über kognitive Kompetenzen verfügt, die viele, selbst nahestehende Personen, ihm nicht zutrauten. Es war jedoch seitdem möglich, ihm in ganz anderen Qualitäten einen Schulunterricht anzubieten als bis dahin vorstellbar schien. Nach einem ¾ Jahr intensiver Arbeit konnte man mit Toni durchaus anspruchsvolle Dialoge mit Fragekarten führen, vermehrt über differenzierte und komplexe Themen. Dies lief in der Regel so ab, dass ihm die Fragen schriftlich angeboten wurden und er seine Antworten mit den zur Auswahl angebotenen Karten äußerte. Dieses Greifen auf max. 6 diverse Karten schaffte Toni damals, wie auch heute, eigenständig, ohne Körperberührung.

Toni konnte leichter der Aufforderung „Gib mir …!“ als „Zeige auf …!“ folgen. Daraus entstand die Idee, wie bei PECS mit kleinen Kärtchen, anstatt einer Buchstabentafel, zu arbeiten.
https://pecs-germany.com/picture-exchange-communication-system-pecs/  
Nach fast 1 ½ Jahren UK-Training lernte Toni, differenziert mit dieser „Kartentastatur“ eigene Worte zu formulieren. Auch dabei musste er, wie bei einigen anderen Übungen innerhalb der Autismus-Therapie, mit einem Finger am Arm berührt werden.

Fotos: privat

In diesem Film https://youtu.be/pwrXXX7Qsn0 kann man den Schreibvorgang mit der Kartentastatur miterleben.

Meine Frau und ich kannten anfangs keine anderen Eltern autistischer Kinder, welche sich in ähnlicher Situation befanden, und so manches mussten wir uns selbst erschließen. Das hatte, aus heutiger Sicht, nicht nur Nachteile, doch wir wissen, wie sehr man sich untereinander helfen kann. Darum ist es mir von ganzem Herzen ein Anliegen, mit der Arbeitsgemeinschaft FC etwas für nicht-sprechende Autist*innen und ihre Angehörigen tun zu können.

Es geht mir dabei nicht um die Propagierung einer besonderen Methode in großem Stil. Es geht nicht um „richtige“ oder „falsche“ Kommunikationsformen. Ein Verstehen in funktionierender Kommunikation bewirkt man nicht durch irgendwelche Techniken. Ein solches Verstehen muss sich gerade im Umgang mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum immer wieder mühsam erarbeitet werden und man erlebt es nur durch Respekt und Akzeptanz vor der Individualität des anderen,

bei den vielen Autisten*innen, welche in ihrer Sprachkompetenz eingeschränkt sind, nur durch UK, Unterstützte Kommunikation, in jeglichen Facetten.

Wenn jemand dabei angefasst werden muss, sollte dies kein Problem sein.

 

 

 

Sehr freuen würde ich mich, wenn Dialoge mit kritisch Nachfragenden in Gang kämen, denn ich bin mir bewusst, dass ich nicht einzig richtige Sichtweisen vertreten kann. Es war mir aber immer ein Gewinn, gerade wenn in kontrovers geführten Diskussionen die Erkenntnis kam, „[…] interessant, von diesem Blickwinkel aus habe ich das noch gar nicht gesehen!“.

Darum lade ich jede am Thema interessierte Person ein, bei unserem nächsten Treffen am 20. November 2020 in Kassel mit dabei zu sein. Die Anmeldungen nehme ich gerne entgegen und sie können an nemitznielitz@gmail.com gesendet werden.

 

Abschließen möchte ich mit einem Auszug aus einem kurzen Bericht über ein Treffen, wie wir es in unserer Gesprächsgruppe in Greifswald wiederholt erleben. Dieser Bericht wurde 2017 veröffentlicht, im Elternmosaik unseres Landesverbandes Autismus MV auf der Seite 66. https://www.autismus-mv.de/media/5128/autismus-mosaik.pdf

 

 

[…]

„Am 17.12.2016 waren wir beim Autismus-Treff 9 Personen, davon 2 Asperger und ein Autist ohne Lautsprache.

Es waren interessante Gespräche, an denen sich alle beteiligten.

[...]

 A (Asperger-Autist) sagt, dass ihm ein möglicher Umzug sehr schwerfallen würde. Jörg berichtet daraufhin von seinen eigenen Erfahrungen, und wie sein Sohn S. (Asperger-Autist) allmählich leichter mit Wohnungswechseln leben lernte. Daraufhin fragte Toni (nichtsprechender Autist): „IST ES FUER ASPERGER WIRKLICH SO SCHWER, UMZUZIEHEN? ICH MÖCHTE SAGEN, FUER MICH WAERE ES NICHT SO SCHWER!”

Nachdem A. einige Zeit dran war, sagte er: „Jetzt kann aber auch mal ein anderer zu Wort kommen!” 

„Dr. Mäuschen” (Asperger-Autistin) berichtete, dass sie, wie A. auch, immer wieder als geistig Behinderte bezeichnet wird (sie studiert Medizin!!). Toni sagte dazu: „ICH KANN KEINE BEHINDERUNG BEI MAEUSCHEN ERKENNEN.” „Danke, Toni, das ist aber lieb von Dir!” sagte sie daraufhin zu ihm.

Jemand stellte dann die Frage: „Toni, würdest Du Dich bei Mäuschen auf den Zahnarztstuhl setzen?”

„JA” sagte Toni sofort, und war imstande, diese kurze Antwort am Tisch zu geben, brauchte dazu nicht in den Nebenraum gehen.“

[ … ] 

 

 

Dafür möchte ich mich gerne einsetzen, dass es ein Stück selbstverständlicher wird, dass Menschen mit und ohne Autismus, was das gesamte Spektrum hergibt, zusammenkommen und miteinander Gespräche führen.

Ich bin mir sicher, dies wäre für uns alle ein großer Gewinn.

 

 

Es grüßt Sie herzlich

Ihr

Friedemann Nemitz