Dietmar Zöller

Das eigene Leben reflektieren und deuten

03.03.25
„Das eigene Leben reflektieren und deuten"
Was Angela Merkels Memoiren bei mir auslösten
 
Ich denke daran, dass ich aus Versehen meine Memoiren verfasst habe. Ich trat an, zum ersten Mal zu versuchen, einen Roman zu schreiben. Aber wo landete ich? Obwohl ich so tat, als schreibe ich über eine Person Dietrich und über sein familiäres Umfeld, gelang es mir nicht, von einer fremden Person zu erzählen. Immer wieder kam ich bei mir selbst an und verstrickte mich in Situationen, wie ich sie erlebt hatte. Staunend höre ich zu, wenn aus dem Buch „Dietrich" vorgelesen wurde. Bin ich das? Ist so mein Leben bis jetzt abgelaufen? Könnte ich Zusammenhänge und Verstrickungen deuten, ohne die Realität zu verlassen? Alles, was ich erzählt oder berichtet habe, ist wahr. Fälschungen wird man vergeblich suchen. Aber Memoiren würde ich mein Buch nicht nennen. Der Untertitel meines Buches "Dietrich" könnte heißen: "Eine Lebensreise." Der Begriff "Lebensreise" weist darauf hin, was für eine große Bedeutung das Reisen in meinem Leben gehabt hat.
 
Im Januar 2025 schrieb ich:
Memoiren
Über die Herausforderung, das eigene Leben zu reflektieren
Angela Merkels Memoiren erschienen vor meinem 55. Geburtstag und waren in Stuttgart schnell ausverkauft. Trotzdem gelang es uns drei Exemplare auf Umwegen zu bekommen. Mutter wollte die Bücher zu Weihnachten verschenken. Wie überrascht war sie, als ich ihr offenbarte, dass ich das Buch als Geburtstagsgeschenk haben möchte. Ein Exemplar bekam Mutters Schwester, die während einer Rundreise in Südamerika vergeblich probiert hatte, Merkels Memoiren zu bekommen.
Ich bewundere Angela Merkel, die sich immer treu geblieben ist und sich nicht hat verbiegen lassen.
Dass sie eine kompetente Helferin an der Seite hatte, verschweigt sie nicht. Wir, die gekränkten Nutzer von FC können uns von Merkel verstanden fühlen, obwohl sie vielleicht nie einem Autisten begegnet ist. Ich konstatiere: Es ist keine Schande, die eigenen, besonderen Memoiren mit Unterstützung zu verfassen und vor allen Dingen die praktische Umsetzung denen zu überlassen, bei denen das praktische Tun automatisch verläuft. Ich überdenke meine eigenen Memoiren, nachdem ich Merkels Memoiren zu Ende gelesen habe. Altwerden ohne Reue. Sie ist den Weg gegangen, der ihr in die Wiege gelegt wurde. Die Stolpersteine des Lebens umkreiste sie mit Vorsicht. Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit waren ihr angeboren. Sie ließ sich nicht verleugnen. Aber über Angst vor der eigenen Courage schweigt sie sich aus.
So weit mein Brief an meine Tante.|
Niemand erfährt, wann und wie ich Merkels Memoiren gelesen habe. Das bleibt mein autistisches Geheimnis. Da Mutter erblindet ist, kann sie mich auch nicht mehr testen um dabei festzustellen, ob ich alles richtig verstanden habe. Ich habe in vielen Buchveroffentlichungen und Aufsätzen von meinem Leben erzählt und berichtet. Wer alles gelesen hat, was ich schrieb, stellt fest, dass ich mich häufig wiederholt, aber mir niemals widersprochen habe. Was ich schrieb, war ehrlich und aufrichtig.
Ich schrieb viele Briefe und ich schrieb fast täglich Tagebuch. Immer hatte ich die Adressaten im Blick, die das Lesen sollten. Manche Äußerungen richteten sich an Mutter, mit der lange Zeit eine spontane Konversation nicht möglich war. Weil ich so viel schrieb, fand ich einen Zugang zu meinem Selbst. Die Frage "Wer bin ich?" ließ mich nicht los, und mit zunehmendem Alter standen die Fragen im Raum: Was ist aus mir geworden? Was wird aus mir werden? Die Themen, die mich umtrieben, wechselten. Die Frage nach dem Sinn des Lebens rückte mehr und mehr in den Mittelpunkt.
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